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Martin Ritzmann
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At the Walls of Fortress Europe 
October 16, 2012
Vor einigen Jahren wurde ich durch die Band „Heaven Shall Burn“ auf die Grenzen Europas aufmerksam gemacht. In dem Song „Tresspassing the Shores of your World“ wird die qualvolle und für manche im Tod endende Reise vieler Migranten nach Europa thematisiert.

Migration von Menschen findet schon seit Jahrtausenden statt. Dennoch sind die heutigen Gründe für die Flucht oft andauernde Kriege und sich häufende Naturkatastrophen durch den Klimawandel, die die betroffenen Menschen zwingt, ihre Heimat zu verlassen.

Dafür sind sie unter menschenunwürdigen Bedingungen jahrelang unterwegs und zahlen Schleusern viel Geld, damit sie schnell nach Europa gelangen. Anstatt den Flüchtlingen Zuflucht zu gewähren, wird mit allen Mitteln versucht, den bestehenden Wohlstand zu verteidigen und so wenige Menschen wie möglich in Europa aufzunehmen.

Einer dieser Orte, an dem versucht wird, sich zu verteidigen, heißt Melilla.

Melilla ist eine spanische Enklave an der Nordküste Marokkos und wurde während der Kolonisationszeit im Jahre 1497 von Spanien besetzt, um einen Handels- und strategischen Vorposten Europas auf dem afrikanischen Kontinent zu errichten. Diesen Status trägt Melilla heute immer noch.

Auf den ersten Blick wirkt Melilla wie eine typisch andalusische Stadt: In den Restaurants am Strand gibt es traditionelle Tapas zuhauf und im Zentrum der Stadt werden Vorbereitungen für die Feria, ein spanisches Volksfest, getroffen. Doch bei genauem Hinsehen bemerkt man, dass etwas anders ist. Neben einer Statue des ehemaligen spanischen Diktators Francisco Franco sieht man viele Schwarzafrikaner, die vom Wüstenstaub bedeckte Autos waschen.

Verlässt man das Zentrum, so fällt auf, dass es dort viele militärische Einrichtungen gibt. Etwas weiter sieht man schon den sechs Meter hohen, von der europäischen Grenzschutzagentur Frontex errichteten Grenzzaun. Es ist die Grenze Europas. Dreifach gesichert, überall sind Kameras und Stacheldraht zu sehen. Über meinen Kopf rast ein Helikopter der Guardia Civil, der spanischen Grenzpolizei. Es ist kaum zu glauben, dass es Menschen schaffen, diesen Zaun zu überwinden.

Im September 2005 kam es zu den ersten Todesfällen während eines Fluchtversuches. Hunderte von afrikanischen Flüchtlingen erstürmten mit selbstgebauten Leitern in der Nacht die Grenze. Das marokkanische Militär war mit der Situation völlig überfordert und schoss in die Menschenmenge. 14 Flüchtlinge aus Westafrika sterben. Seitdem kommt es immer wieder zu Vorfällen am “perímetro (fronterizo)”, dem Grenzgebiet.

Es ist Ramadan, der islamische Fastenmonat. Viele marokkanische Grenzbeamte sind nicht im Dienst. Diese Chance nutzen die Flüchtlinge. Sie leben versteckt in den Wäldern des nahegelegenen Gurugú-Berges, ohne Zugang zu Wasser oder Lebensmitteln. Viele von ihnen sind junge Männer, die seit Jahren auf der Flucht sind.

Sie sind gut organisiert und wissen viel über den Grenzzaun – wann und wo es möglich ist, in die Stadt zu gelangen. In der Nacht zum 19. August 2012 passierte das, was viele in Melilla fürchten: 450 Flüchtlinge stürmten die Grenze, man hörte Schüsse und sieht das Blaulicht der Guardia Civil.

Nur 60 Migranten, größtenteils aus der Sahel-Zone Zentralafrikas schafften es. Viele von ihnen sind erschöpft von den Strapazen der Nacht und ihre Körper gezeichnet von Schnittwunden des Zauns. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention von 1967 hat jeder, unabhängig von seiner Herkunft, das Recht auf Asyl, sobald er europäischen Boden betritt.

Dieses Gesetz wird regelmäßig von der Guardia Civil gebrochen. Immer wieder berichten Flüchtlinge, dass sie direkt nach ihrem Fluchtversuch an die marokkanischen Grenzschutzpolizei übergeben werden, obwohl sie bereits in Melilla waren. Dort haben sie keine Aufenthaltsrechte, weder Anspruch auf eine medizinische Behandlung.

Das Flüchtlingslager in Melilla, auch genannt C.E.T.I. (Centro de Estancia Temporal de Inmigrantes) wurde für die Aufnahme von maximal 350 Migranten gebaut. Dennoch ist es auf Grund der des großen Ansturm völlig überfüllt. Aus Platzmangel schlafen viele von ihnen unter freiem Himmel. Auch gibt es viele Jugendliche, die den langen Weg nach Melilla angetreten und im Centro de Menores untergebracht sind – dem Kinderheim für Flüchtlinge.

Erst vor einigen Jahren baute die Stadt einen Golfplatz direkt vor den Toren des C.E.T.I. – es wirkt, als wolle man den Menschen im Flüchtlingsheim zeigen, wie gut es den Europäern in Melilla geht. Ein Großteil der Bevölkerung Melillas arbeitet im staatlichen Sektor, wie dem Polizei- oder Militärdienst. Als Beamter verdient man aufgrund des extraterritorialen Status ca. 20 Prozent mehr als auf dem Festland, zudem gibt es keine Steuern auf Tabakwaren und Alkohol.

Momentan scheint die Lage aussichtslos für viele Migranten. In Spanien wird krampfhaft versucht, durch einen massiven Sparkurs die wirtschaftliche Situation des Landes auf Vordermann zu bringen. Immer häufiger kommt es zu spontanen Abschiebungen der Migranten durch die spanische Grenzpolizei.

Oft kommen sie nachts in das Flüchtlingsheim, um weniger Aufsehen zu erregen. Nachdem die Flüchtlinge an die marokkanischen Beamten übergeben werden, droht vielen der Abtransport in die Grenzregionen des Landes inmitten der Sahara. Aus Angst vor Abschiebung schlafen viele außerhalb des Flüchtlingsheims im Freien.
Erst kürzlich wurde bekannt, dass Frontex damit begonnen hat einen weiteren Grenzzaun zu errichten. Dieser wird gerade in der Nähe des Evros gebaut, dem Grenzfluss zwischen Griechenland und der Türkei. Dort kommen ca. 80 Prozent der illegalen Einwanderer nach Europa. Auch dort werden die Kameras, bewaffneten Grenzbeamten und der Stacheldraht zu sehen sein, aber das eigentliche Probleme wird auch dort nicht gelöst werden können.

Ganz gleich wie hoch, gesichert und bewacht die Grenze ist, den Willen der Menschen, die täglich ihr Leben für eine bessere Zukunft auf’s Spiel setzen, wird sie nicht stoppen können. Denn zu verlieren haben sie nichts mehr.
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